So plottest du deinen Roman: ein Beispiel

Warum ein Beispiel zum Plot?

Vielleicht weißt du, dass es auf Udemy einen Kurs zum Thema Plotten von mir gibt. (Falls nicht, kannst du ihn dir hier anschauen: Plotten wie ein Profi.) Eine der mittlerweile mehr als 1.700 Teilnehmer*innen des Kurses wünschte sich von mir, einer Autorin mal beim Plotten „über die Schulter zu schauen“. Und – tadaa – Wunsch erfüllt.

Übers Plotten habe ich bereits viel geschrieben. In diesem Artikel werde ich daher gar kein Hintergrundwissen vorstellen, sondern Schritt für Schritt anhand eines Beispiels den Plot für eine Geschichte zusammenstellen. Wenn du noch nicht genau weißt, ob du überhaupt plotten willst, was das Ganze ist und wie es dir helfen kann, lies dir am besten zunächst meine anderen Artikel zum Thema durch. Alles, was ich über das Plotten geschrieben habe, findest du hier.

Das Wichtigste zum Plotten vorneweg

Eine ganz wichtige (und eigentlich banale) Botschaft solltest du dir gleich zu Beginn merken: Der Plot, den du erstellen wirst, gehört dir. Er ist dazu da, dir das Leben beim Schreiben zu erleichtern. Er soll dir helfen, und nicht umgekehrt. Wenn dir etwas nicht mehr gefällt, ändere ihn. Nichts, was du schreibst, ist in Stein gemeißelt. Du kannst alles so anpassen, kürzen, erweitern, ändern, wie es für dich hilfreich ist. Das ist einerseits natürlich logisch, andererseits vergessen viele Autor:innen es beim Schreiben. Je mehr du dir jedoch vergegenwärtigst, dass du alles, was du zu Beginn festlegst, später auch wieder umwerfen kannst, desto entspannter gehst du an das Ganze heran. Und Gelassenheit hilft dir tatsächlich sehr beim Schreiben.

Aus diesem Grund arbeite ich beim Plotten gerne mit einem Board und Post-its oder mit einer Datei auf dem Rechner. So kann ich sehr leicht einzelne Teile austauschen oder verschieben, ohne komplett neu anfangen zu müssen.

Wo anfangen beim Plotten?

Bevor du mit dem Plotten beginnst, kann deine Vorstellung zu deiner Geschichte noch sehr ungenau sein. Manche Autor:innen wissen vielleicht schon genau, wo die Reise hingehen soll. Wenn das nicht der Fall ist, ist das überhaupt nicht schlimm. Die Grundidee, die du zum Plot weiterentwickelst, kann zum Beispiel sein:

  • die Idee zu einer Figur,
  • ein bestimmtes Thema, das dir auf den Nägeln brennt,
  • ein Dialogfetzen, den du irgendwo gehört hast und der dich nicht mehr losgelassen hat,
  • eine Zeitungsmeldung, an die du immer wieder denkst,
  • eine sehr genaue Vorstellung über eine Geschichte, die du erzählen möchtest,
  • einfach alles, was dich zu deinem Roman inspiriert.

Das Beispiel, das ich hier vorstelle, beginnt mit einer Figur. Marie ist 13, lebt in der Eifel und ist dort unglaublich gelangweilt davon, dass nie etwas passiert.

Um das Ganze zu einem Plot werden zu lassen, musst du nun ein wenig Struktur in deine erste grobe Idee bringen. Am besten formulierst du einen Satz der eine mögliche Geschichte grob beschreibt. Wenn du das später noch ändern willst, ist das überhaupt kein Problem, es ist schließlich dein eigener Plot.

Wenn du am Anfang noch nicht die gesamte Geschichte überlegt hast, ist das auch nicht tragisch. Du kannst dich über bestimmte Fragen nähern. Dies können zum Beispiel die folgenden Fragen sein:

  • In welchem Genre könnte deine Geschichte angesiedelt sein? Welche Probleme / Themen werden in diesem Genre besprochen?
  • Was könnte der große Konflikt sein, der die Handlung bestimmt? Dieser ist wichtig, damit du eine interessante Story schreiben kannst.
  • Welche Figuren spielen eine Rolle?

Im Beispiel nähere ich mich der Geschichte wie folgt:

Marie ist 13 Jahre alt. Ihre Geschichte könnte also ein Entwicklungsroman / eine Coming-of-Age-Story werden. In diesen geht es um das Erwachsenwerden. Marie langweilt sich in ihrem Dorf. Daher soll etwas passieren, mit dem sie nicht rechnet und das sie vor sehr große Probleme stellt. Sie soll in der Geschichte lernen, dass es die Menschen um sie herum sind, die ihr Leben interessant machen, und nicht die Welt „da draußen“. Ich entscheide mich, dass Marie einen großen Verlust erlebt. Ihre Schwester verschwindet. Das größte Problem, das Marie nun hat, liegt darin, herauszufinden, was mit ihrer Schwester passiert ist.

In drei Schritten zum Grob-Plot

Jeder gute Text besteht aus Einleitung, Hauptteil und Schluss. Die Einleitung holt die Leser:innen ab und führt sie in die Geschichte, der Hauptteil erzählt die eigentliche Story und der Schluss bringt alles zu einem möglichst runden Ende. Dies sind auch die Eckpunkte, mit denen du beim Plotten anfängst. Für jeden dieser Teile gebe ich dir im Folgenden Hinweise. Mein wichtigster Punkt kommt jedoch zuerst: Wenn deine Geschichte stimmig und rund sein soll, musst du auf dein Ende hinschreiben. Du solltest den Schluss also bereits am Anfang kennen. Daher empfehle ich dir, auch beim Plotten mit dem Ende zu beginnen.

Schluss

Du hast deine Idee grob formuliert. Worauf soll sie hinauslaufen? Wenn du das noch nicht weißt, kannst du dir auch hier wieder mit ein paar Fragen weiterhelfen. Zunächst musst du bestimmen, welches die eine große Frage ist, die deine Leser:innen das gesamte Buch über fesseln soll. Und dann überlegst du dir, welche Antwort du auf diese Frage geben willst. Aus dieser Antwort bildest du dann deinen Schluss.

Aber das reicht noch nicht. In einer wirklich guten Geschichte entwickelt deine Hauptfigur sich im Verlauf der Geschichte weiter. Und um das glaubwürdig beschreiben zu können, musst du bereits ganz am Anfang (deiner Arbeit) wissen, wo die Hauptfigur am Ende ihrer Reise steht.

Die eine Frage, die man sich während der Coming-of-Age-Geschichte stellen soll, ist, was mit Maries Schwester passiert ist. Die Antwort, die ich darauf geben will, lautet: Die Schwester ist ermordet worden. Marie findet das heraus und sie erfährt außerdem, dass sie den Mord hätte verhindern können – nicht aktiv durch Eingreifen, sondern indem sie ihrer Schwester einfach mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Denn die Schwester (spätestens jetzt braucht sie einen Namen, und ich nenne sie Sophie) wollte Maries Aufmerksamkeit gewinnen, indem sie von zuhause weglief, was Marie aber nicht einmal bemerkte – weil sie ihr Leben einfach nur langweilig fand. Durch die Suche nach Sophie und die Antwort auf die Frage nach ihrem Schicksal hat Marie jedoch gelernt, den Menschen um sie herum Aufmerksamkeit zu schenken. Sie weiß jetzt, dass das Leben, das im Alltag stattfindet, viel wichtiger für sie ist als Träume von der großen weiten Welt.

 

Hauptteil

Der Hauptteil erzählt deine eigentliche Geschichte. Hier kannst du momentan noch etwas kürzer fassen – wir werden den Hauptteil später noch genau plotten. Im Moment kannst du dich mit zwei bis drei Sätzen begnügen, die die Handlung grob beschreiben.

Sophie, die Schwester der Protagonistin Marie, kommt eines Tages nicht aus der Schule nach Hause. Die Familie durchläuft alle Phasen – sie sorgt sich erst leicht, denkt, Sophie sei abgehauen, telefoniert alle Freund:innen ab, informiert die Polizei und will irgendwann nur noch Sicherheit über den Verbleib von Sophie haben. Marie, deren Eltern sie plötzlich gar nicht mehr wahrzunehmen scheinen, beginnt, auf eigene Faust nach Sophie zu suchen. Sie entdeckt, dass andere Menschen viel mehr von ihrer Umgebung mitbekommen, als sie selbst, und dass es lange schon Anzeichen gab, dass Sophie verschwinden könnte.

Einleitung

In der Einleitung stellst du deine wichtigsten Figuren vor, und zwar, bevor die eigentliche Handlung beginnt. Am besten zeigst du sie in einer kleinen Konfliktsituation, die schon den Charakter der Figuren zeigt. Du kannst auch schon Schauplätze einfügen. Was hier noch nichts zu suchen hat, ist der eigentliche Hauptkonflikt, auch wenn bereits alle Weichen für ihn gestellt werden.

Im Beispiel entscheide ich mich für eine Konfliktsituation zwischen Marie und Sophie, in der man erkennen kann, wie die jüngere Sophie nach der Aufmerksamkeit der älteren giert, während Marie ihr ganzes Leben einfach nur langweilig findet. Marie kommt von der Schule nach Hause und möchte eigentlich nur an den Rechner, um im Internet Fotos von Stars in großen Städten anzuschauen. Von einem solchen Leben träumt sie und sie kann es gar nicht erwarten, endlich aus dem Dorf auszuziehen, in dem sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester wohnt. Sie kann jedoch nicht an ihren Computer, weil Sophie den gemeinsamen Schreibtisch in eine Ausstellungsfläche für verschiedene Herbstblätter verwandelt hat. Ein großes Plakat, auf dem die unterschiedlichen Blätter den Bäumen, von denen sie Stammen, zugeordnet sind, blockiert alles. Marie ist leicht genervt, legt das Plakat auf den Boden. Sophie kommt etwas später dazu, sieht das und ist verletzt: Das Plakat war ein Geschenk für Marie. Sophie bricht in Tränen aus; Marie kann nicht verstehen, was die Schwester jetzt schon wieder hat.

Den Hauptteil plotten

Nun kommt der größte Teil der Arbeit beim Plotten auf dich zu. Du musst den Hauptteil ausarbeiten. Eine gute Möglichkeit hierfür ist, zunächst mit einzelnen Kapiteln anzufangen. Ein Kapitel sollte dabei immer eine Sinn-Einheit sein, die du gut in einem Satz zusammenfassen kannst. Die einzelnen Kapitel kannst du dir wie Stationen auf einem Weg vorstellen, der bergauf – zum Höhepunkt der Geschichte und zu ihrer Auflösung – führt. Jedes einzelne Kapitel liegt also ein Stück „weiter oben“. Die Spannung wird größer, die Figur hat sich bereits ein Stück weiter entwickelt.

Ganz wichtig ist, dass jedes einzelne Kapitel sich um einen Konflikt dreht. In diesen Konflikten kannst du deine Hauptfigur nämlich besonders gut agieren lassen und zeigen, wie sie sich entwickelt.

Für die Beispiel-Geschichte kann ich die folgenden acht Kapitel anlegen, die zwischen Einleitung und Schluss eingebettet werden.

Kapitel 1: Sophie kommt nicht von der Schule nach Hause, niemand hat sie gesehen, die Polizei wird gerufen. Die Suche ergibt kein Ergebnis.

Kapitel 2: Maries Eltern sind so in Sorge um Sophie, dass Marie keinerlei Aufmerksamkeit mehr bekommt. Marie ist genervt und wütend auf die Schwester, bis sie deren Tagebuch entdeckt und liest. Marie erfährt, dass Sophie eine Überraschung für Marie geplant hatte. Sie teilt dies den Eltern mit, aber diese hören ihr gar nicht richtig zu.

Kapitel 3: Während Polizei und Eltern weiter vergeblich suchen, beschließt Marie, mit den Angaben aus dem Tagebuch nach Sophie zu suchen. Sie erfährt von einer Freundschaft mit der 92-jährigen Nachbarin Frau Elvira, von der Marie bisher nichts wusste. Obwohl Frau Elvira ihr bisher als der Inbegriff der Langeweile im Dorf galt, geht Marie zu ihr, um etwas über Sophie zu erfahren. Sie hört von der Nachbarin von einer ganz anderen Seite von Sophies Leben – diese kümmerte sich offensichtlich in der Nachbarschaft um ältere Menschen und half ihnen -, findet aber gleichzeitig heraus, dass Sophie schon am Tag vor ihrem Verschwinden nicht zum vereinbarten Treffen gekommen war. Die Nachbarin vermutet, dass Sophie im Wald war, um wieder Blätter zu sammeln. Marie erinnert sich an das Plakat, das Sophie ihr gebastelt hat, und schämt sich.

Kapitel 4: Marie geht den Weg zum Wald ab, um nach möglichen Spuren Ausschau zu halten. Sie hat sich alle Bäume auf dem Plakat notiert, um möglichst Sophies Weg richtig abzugehen. Es wird früh dunkel, schließlich ist es Herbst. Marie geht trotzdem weiter, weil sie einen Baum noch nicht gefunden hat. Auf ihrer Suche entdeckt sie eine Hütte im Wald, die beleuchtet ist. Sie geht dorthin und sieht einen großen, furchteinflößenden Mann, der etwas mit einer Axt zerlegt. Marie läuft panisch nach Hause.

Kapitel 5: Am nächsten Tag ist Marie hin- und hergerissen. Sie hat kaum geschlafen und will eigentlich nie wieder in die Nähe des Walds. Aber sie glaubt, dass sie in der Hütte eine Antwort finden könnte. Schließlich überwindet sie ihre Furcht und geht wieder hin. Die Hütte ist leer. Sie schaut sich um, durchsucht ein paar Schränke und findet in einer Schublade einen Schal, der eindeutig Sophie gehört hat. Als sie gerade wieder gehen will, tritt der Mann ein. Marie versteckt sich hinter einem Vorhang.Kapitel 6: Der Mann geht sofort auf den Vorhang zu. Er hat Marie schon von draußen gesehen. Er fragt sie, was sie will, und will sie schon fortjagen, als er die Ähnlichkeit zu Sophie entdeckt. Marie erzählt stammelnd alles, und der Mann erzählt schließlich, dass Sophie ihm öfter Lebensmittel vorbeigebracht hat, weil er selbst kaum Geld hat, sich etwas zu kaufen, und deswegen auch in der verlassenen Hütte im Wald lebt. Er hat seine Arbeit verloren, als ihn jemand angefahren und Fahrerflucht begangen hat. Den Täter hat man nie gefunden. Marie hat immer noch Angst und ist sich nicht sicher, ob der Mann lügt. Der erzählt ihr jedoch, dass Sophie vorhatte, in die nahegelegene Stadt zu fahren, um für Marie ein Geschenk zu kaufen. Marie will das abends ihren Eltern erzählen, doch diese sind in Tränen aufgelöst. Die Polizei hat die Suche vorerst eingestellt, weil sie keine Ergebnisse geliefert hat.

Kapitel 7: Der einzige Weg in die Stadt, den Marie kennt, geht mit dem Bus über die Landstraße. Am nächsten Tag schaut sie an der Bushaltestelle vorbei, um Spuren zu finden. Sie findet nichts Ungewöhnliches. Als sie gerade gehen will, hält ein Auto vor ihr. Sie kennt den Fahrer, er wohnt einige Straßen weiter und hat sich auch an der Suche nach Sophie beteiligt. Marie wundert sich, dass er nachmittags mit dem Auto durch das Dorf fährt, obwohl sie weiß, dass er immer lange arbeitet. Der Nachbar fragt sie, ob er sie mitnehmen soll, er wäre auf dem Weg in die Stadt. Marie lehnt ab und sagt, dass sie noch auf einen Freund wartet, der Nachbar fährt fröhlich winkend weg.

Kapitel 8: Marie vermutet, dass der Nachbar etwas mit Sophies Verschwinden zu tun hat. Als Marie nach Hause kommt, verabschieden sich die Eltern von ihr: Sie organisieren eine private Suche und sind unterwegs zu einem Treffen. Marie erfährt, dass auch der Nachbar zu dem Treffen geht. Sie will nicht länger warten und geht zu ihm nach Hause, um Spuren zu finden. Tatsächlich entdeckt sie eine Beule an seinem Auto. Als sie sie näher untersuchen will, öffnet sich der Kofferraum. Darin findet Marie blutverschmierte Kleidung. Als sie diese gerade herausnehmen will, spricht der Nachbar sie an. Er ist von der Suche zurückgekehrt. Er bringt Marie in sein Haus und erzählt ihr währenddessen, dass er auch Sophie getötet hat, weil diese zu neugierig war. Sie war kurz davor, herauszufinden, dass er es war, der den Mann im Wald angefahren hat. Deswegen musste Sophie sterben. Der Nachbar fesselt Marie, und diese glaubt, dass sie sterben wird. Doch im letzten Moment stürmt die Polizei das Haus. Frau Elvira, die seit Sophies Verschwinden jeden Abend an ihrem Fenster sitzt, hatte sie gerufen.

Wenn du deinen Plot ausarbeitest, wirst du feststellen, dass du immer wieder zurückgehst und Dinge ergänzt, die noch besser auf das Ende vorbereiten. Das ist normal und auch absolut sinnvoll. Schließlich ist ein Roman ein komplexes Konstrukt, das du Stück für Stück erbaust.

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  1. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die Tipps aus der kostenlosen 10 tägigen Romanschule bedanken. Solche Unterstützung ist immer wieder hilfreich und aufbauend, habe mich jeden Tag wieder über Ihre Mail gefreut.

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